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The Rake’s Progress an der Oper Leipzig

Premiere feierte The Rake’s Progress von Igor Strawinski am 5.4.2014 an der Oper Leipzig in der Regie von Damiano Michieletto. Die musikalische Leitung übernahm Anthony Bramall. Die Inszenierung entstand in Koproduktion mit dem Teatro La Fenice und wird im Sommer auch dort zu sehen sein.

Besetzung
Tom Rakewell: Norman Reinhardt
Anne Trulove: Marika Schönberg
Nick Shadow: Tuomas Pursio
Baba: Karin Lovelius
Mother Goose: Sandra Janke
Sellem: Dan Karlström
Trulove: Milcho Borovinov
Wärter: Sejong Chang

Chor der Oper Leipzig
Komparserie der Oper Leipzig

Vor dem Glitzervorhang begrüßt uns zu Beginn der Oper der idealbesetzte, diabolische Tuomas Pursio als Nick Shadow. Wie ein Entertainer kündigt er locker mit Gesten an, dass gleich auf der Bühne einiges abgehen wird. Noch bevor wir in Tom Rakewells kleinbürgerliches Leben einsteigen, wird unmissverständlich klar, mit wem wir es bei Nick Shadow zu tun haben.

Gemäß dem Klischee finden wir einen Garten mit kurzgeschnittenem Rasen, eine Gartenmöbelbestuhlung nebst Sonnenschirm, einen Grill und den autowaschenden Tom vor, den Norman Reinhardt jungenhaft verkörpert. Verständlich, dass Tom in dieser Zwangsidylle nicht bleiben will und das Angebot seines künftigen Schwiegervaters ablehnt, ihm eine Anstellung zu verschaffen. Auto waschen scheint Toms Sache wohl auch nicht zu sein, und so schweifen seine Gedanken ab zu dem erhofften Reichtum, von dem er sich Freiheit und Glück verspricht. Nick ergreift umgehend die Gelegenheit und schlüpft in die Haut eines Postboten, um die Nachricht über eine Erbschaft zu überbringen und seinen Pakt mit Tom zu schließen. Dieser ist ein allzubereites Opfer. Nur Toms Geliebte Anne, verständig und warhmherzig gespielt und ausdrucksvoll gesungen von Marika Schönberg, scheint sich nicht vorbehaltlos über Toms Abreise nach London zu freuen. Spätestens als sie in Toms blutige Hand greift, wird ihr klar, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht.

Ehe das Blut an Annes Hand getrocknet ist, sehen wir, wohin Nick den jungen Tom geführt hat: nämlich ins Bordell (in den Pool) zu Mother Goose. Wir schauen auf das Tableau einer schrillen Poolparty-Orgie, die zwar nur angedeutet ist, aber mitunter so echt gerät, dass man vor lauter buntem Gewühl ganz vergisst, auf die deutschen Übertitel zu achten. Als Leuchtreklame schillern die sieben Todsünden, an denen sich Tom nacheinander abarbeiten wird. Glücklich macht Tom das alles nicht und seine Freiheit muss sich erst noch beweisen. Dazu schlägt ihm Nick vor, Karin Lovelius im gewaltigen und skurilen Babakostüm zu heiraten, denn wo keine Liebe ist, kann auch keine Abhängigkeit sein. Letzlich geht aber diese Rechnung nicht auf. Ziemlich peinlich wird es, als die zurückhaltende Anne in der Szene auftaucht. Sie hat sich zu Tom auf den Weg gemacht, weil sie seit seiner Abreise nichts von ihm gehört hatte. Ihr bleibt nur festzustellen, dass sie hier überflüssig ist.

Die weiteren Versuchungen sind in Michielettos Inszenierungen kaum mehr als Seifenblasen. Sie fallen in Plastikform vom Himmel. Aber offensichtlich ist Tom so geblendet, dass er sich darauf einlässt. Wahrscheinlich denkt er auch nicht nach. Jedenfalls geht Toms Investition in die Plastikmaschine, die aus Stein angeblich Brot machen kann, gehörig schief. Seine finanziellen Mittel sind aufgebraucht und es bleibt nur noch die Versteigerung von Hab und Gut. Das besorgt Sellem, alias Dan Karlström, den man kürzlich am Opernhaus Chemnitz als Piet vom Fass in Ligetis Le Grand Macabre bewundern konnte. Als alle irdischen Reichtümer verschwunden sind, gibt es für Baba keinen Grund mehr, an Toms Seite zu bleiben. Sie hat erkannt, wer Toms Schatten Nick in Wirklichkeit ist. Als ihr Anne begegnet, die als gute Seele abermals auftaucht, bittet Baba sie, Tom zu retten. So zieht Baba mit einer gewissen Größe davon.

Mit fortschreitender Zerstörung gewinnt die Inszenierung wie die Oper an Tiefe. Tom und Nick begegnen sich am leeren Grund des einst glitzergefüllten Pools. Die Jahresfrist ist um, die Nick Tom gesetzt hatte und Nick fordert nun seinen Lohn: Toms Seele. Erst jetzt begreift Tom seine Lage und wünscht sich zu Anne und dem kleinbürgerlichen Leben zurück. Die Wände des Pools werden für Tom zu einem Gefängnis, aus dem er nicht entfliehen kann. Kurz vor dem letzten Glockenschlag um Mitternacht macht Nick ein Angebot, das Tom Aufschub gewähren soll unter folgender Bedingung: Er muss drei Karten erraten, die Nick aus einem Kartenstapel zieht. Obwohl Nick falsch spielt, gelingt Tom diese Aufgabe, denn Annes liebender Geist ist bei ihm. Nun könnte eigentlich alles gut werden mit dem Happyend: Tom ist durch Annes Liebe gerettet und kehrt geläutert heim, wo er mit Anne bis an das Ende seiner Tage lebt.

Aber das wäre wohl zu einfach gedacht und hätte den Zuhörer und Zuschauer um die schönsten Momente der Inszenierung und der Oper gebracht. Unser Märchen ist grausam. Nick hat zwar das Spiel um Toms Seele verloren, kann ihn aber dennoch mit Wahnsinn strafen. Das Poolgefängnis wird zur Irrenanstalt, in der Tom nun mit anderen Insassen lebt. Hier zeigt sich, dass der Leipziger Opernchor nicht nur stimmlich einiges auf dem Kasten hat, sondern auch darstellerisch auf der Höhe der Zeit ist. Tom ist dem Wahn verfallen, Adonis zu sein, der auf seine Geliebte Venus wartet. In seinen Armen hält er eine Puppe. Als Anne in Begleitung ihres Vaters zu Tom tritt, kann er sie nicht erkennen. Sie spielt für ihn die Venus, wohl wissend, dass mehr hier für sie nicht zu tun bleibt. Nachdem sie Tom in den Schlaf gesungen hat, verlässt sie ihn in dem Glauben, dass er wenigstens in seinem Wahn Frieden finden wird. Aber selbst das kann Nick nicht zulassen und beraubt Tom auch noch seiner letzten Zuflucht.

Das Spiel endet vor dem Glitzervorhang mit dem Epilog:

For idle hands
And hearts and minds
The Devil finds
A work to do.

Fazit
Damiano Michieletto gelang mit seinem Deutschlanddebüt eine schlüssige Inszenierung, die man als Sittengemälde der Gegenwart bezeichnen kann. Zeitgemäß schrill und bunt bebildert er die Geschichte, ohne in das grausame Märchen mehr Seelenzustände hineinzuinterpretieren, als vom Komponisten und Librettisten angelegt und gedacht.

Das Premierenpublikum war zu recht begeistert.

Vorstellungen an der Oper Leipzig
11.4.2014, 24.4.2014, 9.5.2015 jeweils 19.30 Uhr
18.5.2014, 15.00 Uhr und auch in der Spielzeit 2014/2015

Vorstellungen am Teatro La Fenice
27.6.2014, 1.7.2014 und 3.7.2014 jeweils 19.00 Uhr
29.6.2014, 15.30 Uhr
5.7.2014, 17.00 Uhr

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